Aufruhr auf den Erdölmärkten: Corona-Krise, Preiskrieg und Förderkürzung mischen das Ölgeschäft kräftig auf. Ökonomen beschäftigen sich nun mit den Szenarien der weiteren Preisentwicklung. Marktsimulationen am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin sollen zeigen, wie sowohl Angebot, als auch Nachfrage den Ölpreis destabilisiert haben. Die Ergebnisse geben Aufschluss, welche Preispfade möglich sind, aber auch welche Relevanz dabei Corona-Krise, Preiskrieg und anstehenden Förderkürzungen haben.
Parallel zu den Finanzmarkt-Turbulenzen hat sich der Ölmarkt 2020 zunehmend destabilisiert – ein Preiseinbruch von etwa 70 Prozent macht Ölproduzenten zunehmend zu schaffen. Zuletzt konnten sogar negative Preise für einzelne Ölsorten beobachtet werden.
Zu Beginn des Jahres 2020 kostetet Erdöl noch rund 70 Dollar pro Fass. Mit der Ausbreitung des Corona-Virus setzte ein zunehmender Nachfragerückgang den Ölpreis allerdings unter Druck. Im März sorgte schließlich der Zusammenbruch der Gespräche über eine Verlängerung des OPEC+-Abkommens an den Märkten für Entsetzen und schickte den Preis endgültig auf Talfahrt.
Im April einigten sich die OPEC-Staaten und andere Produzenten wie Russland, Mexiko und Oman in Angesicht des Nachfrageeinbruches schließlich auf umfangreiche Förderkürzungen. Diese sollen insgesamt etwa zehn Millionen Fass tägliche Produktion umfassen, was mehr als zehn Prozent der aktuellen täglichen Fördermenge entspricht. Inwieweit die Förderkürzungen letztlich umgesetzt werden, aber auch welchen Preiseffekt dies in Anbetracht der Nachfrageentwicklung hat, ist derzeit noch nicht absehbar.
Kurzfristig haben die Ankündigungen nicht ausgereicht, um einen weiteren Einbruch der Preise zu verhindern. Die US-Erdölsorte WTI ist unlängst sogar ins Minus gerutscht. "Dies geschah, nachdem Händler nicht mehr in der Lage waren, ihre vorherigen spekulativen Käufe umzusetzen, da dafür eingeplante Erdöllager bereits an ihren Kapazitätsgrenzen operieren", erklären die Wirtschaftswissenschaftler. Diesen Lagern komme üblicherweise eine Pufferfunktion am Markt zu: Bei Schwankungen von Angebot und Nachfrage könne das Einlagern beziehungsweise Entnehmen von Erdöl zu einer Stabilisierung der kurzfristigen Preise beitragen. Weil Lager durch ihre Kapazitätsbeschränkungen diese Funktion nicht mehr ausreichend erfüllen können, droht sich der Nachfragerückgang auf den Markt durchzudrücken.
Die Studie legt nahe, dass die Corona-Krise bislang einen deutlicheren Effekt auf den Erdölpreis hatte als die Eskalation zwischen Saudi-Arabien und Russland. Die Schätzungen zeigen, dass eine Rückkehr zu den Produktionsniveaus vom Januar 2020 bei der aktuellen Nachfrage nur zu Preisen von unter 40 Dollar pro Fass führen würde.
Der zukünftige Preispfad sei weitgehend unsicher, da sowohl Angebots-, als auch Nachfrageentwicklungen zurzeit höchst dynamisch seien. Jüngst angekündigte Förderkürzungen seitens großer Ölproduzenten hätten prinzipiell das Potenzial, Preise wieder auf das Vorkrisenniveau zu heben, allerdings sei unklar, inwieweit die Ankündigungen tatsächlich umgesetzt würden.
Vor allem sei nicht absehbar, wie schnell sich die Nachfrage erholen wird: Die Effekte der Corona-Krise scheinen anzuhalten und Erdöllager stehen zunehmend nicht mehr zur Verfügung, um den Nachfragerückgang abzufedern. Der Abwärtsdruck auf die Preise könnte sich somit in den kommenden Wochen noch verstärken und weitere spontane Reaktionen ähnlich des Marktzusammenbruchs der US-Sorte WTI hervorrufen.
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Quelle: GLP wid