Berlin – Wird ein Grundstück oder Haus von der Stadt enteignet, müssen Eigentümer einen hieraus erzielten Gewinn nicht versteuern. Dies hat das Finanzgericht Münster entschieden (Az.: 1 K 71/16 E).
«Das Urteil ist für alle Immobilieneigentümer wichtig, die innerhalb von zehn Jahren nach Anschaffung des Grundstücks enteignet werden», sagt Isabel Klocke vom Bund der Steuerzahler.
Sonst lautet eine Grundregel: Wer eine Immobilie innerhalb von zehn Jahren nach dem Kauf mit Gewinn verkauft, muss dafür Einkommensteuer zahlen, die oft auch als Spekulationssteuer bezeichnet wird. Das gilt nicht, wenn das Grundstück nur selbst bewohnt wurde oder es zwar unbewohnt war, aber nicht verkauft, sondern enteignet wurde.
So war es im verhandelten Fall. Der Kläger hatte ein unbebautes Grundstück für 425.000 Euro erworben. Drei Jahre nach diesem Kauf enteignete es die Stadt im Rahmen eines Bodensonderungsverfahrens. Als Entschädigung zahlte sie dem Eigentümer 600.000 Euro. Das Finanzamt stufte das als privates Veräußerungsgeschäft ein. Da zwischen Kauf und Enteignung weniger als zehn Jahre vergangen waren, stellte es einen steuerpflichtigen Gewinn von rund 175.000 Euro fest.
Zu Unrecht,
entschied das Finanzgericht Münster. Demnach ist eine Enteignung nicht als freiwilliges Veräußerungsgeschäft anzusehen: Es fehle dem Verkäufer an einem rechtsgeschäftlichen Verkaufswillen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig – das Finanzgericht hat Revision gegen das Urteil zugelassen. Das Verfahren ist jetzt vor dem
Bundesfinanzhof anhängig (Az.: IX R 28/18).
«Dennoch profitieren auch andere Steuerzahler von dem Gerichtsverfahren», sagt Klocke. Verlangt das Finanzamt für den Gewinn aus einer angeordneten Enteignung Spekulationssteuer, kann man Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einlegen und beantragen, das Verfahren ruhen zu lassen. Dann bleibt der eigene Steuerfall bis zu einer Entscheidung des Bundesfinanzhofs in dem Präzedenzfall offen und kann später noch geändert werden. «Der Vorteil liegt darin, dass man nicht selbst klagen muss, es genügt ein Einspruch», so Klocke. Zur Begründung des Einspruchs sollte das Aktenzeichen beim Bundesfinanzhof genannt werden.
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(dpa)